Die Erkenntnis, dass Werbung im herkömmlichen und noch immer weit verbreiteten Sinne an Wirkung verloren hat ist keine Raketenwissenschaft. Es existieren gefühlte 100.000 Buzzwords zu dem Thema, die jeder im Schlaf runterbeten kann:
Second Screen; P(aid) O(wned) E(arned); Content is King; Storytelling; Age of Recommendation; Pull statt Push….
Aber was heißt das denn wirklich? Wenn die Menschen Werbung nicht mehr an sich heranlassen, können Marken, Produkte und Unternehmen dann überhaupt noch mit ihnen kommunizieren? Welche Art von Ideen müssen Agenturen dann liefern?
Das digitale Zeitalter bringt zwei fundamentale Änderungen mit sich:
- Die Atomisierung der eh schon knappen Ressource „Aufmerksamkeit“ auf weitere zigtausend (soziale) Kanäle und
- Die ständige (mobile) Verfügbarkeit der schon immer meist vertrauten Informationsquelle: persönliche Empfehlungen von Menschen die ich kenne bzw. denen ich vertraue
Werbekampagnenideen (und seien sie noch so medienneutral), meist in Verbindung mit sehr viel TV-Mediainvestment, dringen nicht mehr wirtschaftlich durch diesen neuen „sozialen Filter“ der Menschen. Neue Wege müssen her. Eine Möglichkeit: das Leben der Menschen in einem relevanten Bereich signifikant verbessern und zwar so, dass
- die fundamentale Story der Marke dabei mittransportiert wird
- die positive Nutzungserfahrung einfach und sofort weiterempfohlen und geteilt wird
Statt schöne Geschichten über Marken bzw. Produkte zu erzählen, brauchen wir Dinge über die die Menschen von sich aus erzählen: StoryDOINGS anstatt Storytelling
Ein Beispiel:
Das Car-Sharing-Angebot „Drive Now“ wird mittlerweile von über 250.000 Menschen in Deutschland genutzt. Eine Vielzahl davon (mich eingeschlossen) wird die Marke Mini zwar kennen, aber nicht im Relevant Set haben. Dies dürfte sich durch die Nutzung von Drive Now massiv ändern. Auch in deren Familien- und Freundeskreis. Diesen Shift in den Köpfen (schönen Gruß an Opel) hätte die Marke Mini mit klassischen Werbekampagnen wahrscheinlich nicht geschafft, zumindest nicht wirtschaftlich. Das Schöne an dieser Maßnahme: Die Kunden zahlen sogar noch für die Botschaft, das Businessmodell trägt sich selbst, „Werbung“ gratis dazu.
Ein Beispiel aus dem Hause GREY:
Für die Kampagne “1 ist mir wichtig” hat die Allianz Deutschland den amerikanischen Künstler und Fotografen Foster Huntington als Projektbotschafter gewonnen. Huntington reist seit 2011 mit seinem VW Bus mit der Frage: “Was würden Sie mitnehmen, wenn Ihr Haus brennt?” quer durch die USA. Die Antworten dokumentierte er fotografisch und schriftlich auf seinem Blog “theburninghouse.com”, das mittlerweile zu einem weltweit viral verbreiteten Internet-Projekt wurde: Menschen aus aller Welt schicken Foster ein Foto mit ihren wichtigsten Gegenständen – bis heute gehen täglich neue Beiträge ein. Als Allianz Projektbotschafter reiste Foster Huntington auch durch Deutschland und hat Menschen vor Ort befragt, was ihnen wichtig ist. Diese Interviews wurden nach und nach in Form kurzer Videoclips auf 1istmirwichtig.de veröffentlicht. Verdiente Reichweite ca. eine halbe Millionen Views auf Youtube, wobei 72% die Videos bis zum Ende angesehen haben. Den so entstandenen Content nutzen auch die Versicherungsagenturen auf rund 1.000 Facebookseiten um in den Dialog mit potenziellen und vorhandenen Kunden zu kommen.
Hier kommen wir, die Agenturen, wieder ins Spiel. Immer mehr Kunden werden nach solchen „DOINGS“ fragen. „DOINGS“ entstehen, wenn man exakte Kenntnis über das zugrundeliegende Business-Problem, die Grundbedürfnisse der Zielgruppe, deren Customer Journey und über die Marken-DNA besitzt. Wenn man früh die Frage „warum sollte dies irgendjemand kümmern?“ stellt und auch beantwortet. Wenn Teams aus Kreation, Digital, Social, PR und Media etc. von Anfang an zusammenarbeiten und die Maßnahmen auch nach dem Launch überwachen und, anhand vorher definierter Zielgrößen, kontinuierlich optimieren.
„Sage es mir, und ich werde es vergessen. Zeige es mir, und ich werde es vielleicht behalten. Lass es mich tun, und ich werde es können.“ Was Konfuzius schon wusste, muss sich im Denken und Handeln vieler Agenturen noch ändern. Am besten schon morgen.