“Wer Marken beraten will, muss auch eine sein”

by Christoph on 6. August 2014

Christoph Pietsch In den letzten Beiträgen dieser Reihe durften wir lesen, dass sich die Aufgaben unserer beruflichen
Gattung „Agentur-Vertriebler“ verändern werden. Der Business Development- Verantwortliche wird zum Marketeer und ist neben akquisitorischen Tätigkeiten zukünftig auch für das Marketing einer Agentur verantwortlich – ein Gedanke, der aus dem Markt an uns Agenturen herangetragen und nun zur Anforderung wird. Service-Portfolio, Referenzen, beraterische und auch kreative Fähigkeiten reichen als differenzierende Facetten in akquisitorischen Kontext und in Agentur Auswahlprozessen nicht immer aus. „Marke“ und deren strategische Vermarktung werden zum nachhaltigen Vertriebshebel. Aber was bedeutet das eigentlich?

Agenturmarke – Theorie vs. Praxis
Die Definition von „Marke“ und deren Mission, Daseinsberechtigung und Vision sowie Positionierung & Differenzierung, Produkt-, Preis- und Kommunikationspolitik und nicht zuletzt Vertriebsstrategie sind essenzielle und im ersten Schritt theoretische Aufgabenfelder. Der Agentur- Marketeer von morgen muss sich aber vor allem darüber Gedanken machen, an welchen Stellen diese Merkmale „erlebbar“ werden. Kennen wir unsere unterschiedlichsten Zielgruppen gut genug? Sind es Kunden, Neukunden, Mitarbeiter, Medien, Talente, Partner oder auch andere Multiplikatoren? Welche Kommunikationsmittel, Medien und Kanäle sind für eine Ansprache relevant? Was behaupten wir und an welcher Stelle muss der knallharte Proof geliefert werden? Erst der Transfer in wahrnehmungsprägende Elemente macht den Unterschied. Und der reicht von der Darstellung unserer Arbeiten, dem Auftreten der Markenverantwortlichen und Mitarbeiter als ihre Repräsentanten (bereits im Recruiting Prozess), dem CEO-Positioning und der digitalen Präsenz, über Präsentationen, Vorträge, der Themenbesetzung im medialen Kontext, Corporate Events bis hin zur Business Card.

Schularbeiten machen
Alle Praxis braucht auch ein theoretisches Fundament: Starten wir mit dem kleinen 1×1. Nehmen wir doch einmal den Auftritt einer beliebigen Agentur im Neugeschäftskontext. Man lernt den Kunden erstmalig kennen, macht sich natürlich über ihn persönlich, seine aktuelle geschäftliche Situation und seine Markenaktivitäten schlau. Im Zuge eines Erstkontakts könnte eine erste kritische Auseinandersetzung da lauten: „Aus kommunikativer Sicht stellen wir Schwächen in der Konsistenz des Markenauftrittes fest, disziplinarische Defizite im Umgang mit dem eigenen Corporate Design und und und…“ Oder auch die Frage: „Wird ‚Marke‘ an den relevanten Touchpoints positionierungsgemäß durchgeholt?“ Wahrscheinlich berechtigte Anmerkungen.

Aber wie steht es eigentlich um die Auftritte unserer eigenen Agenturmarken? Ein Blick in Deutschlands Agenturlandschaft lässt uns Angst und Bange werden. Das eigene, zu Hauf gepredigte Handwerk wird nicht sauber genug umgesetzt. Und was ist mit der häufig als ultimatives Ziel ausgesprochenen Identifikation die Marken mit ihren Ziel- und Anspruchsgruppen erreichen wollen – intern wie extern? Sind unsere Kunden „stolz“ genug, bei uns zu sein? Bieten wir als Lösungsanbieter die entsprechenden Anlässe dafür? Gibt es sie eigentlich, die ausreichend differenzierte, positionierte „Marke“ unter Deutschlands Agenturen? Ich wäre an einer Kundenwahrnehmung und Meinung schwer interessiert. Hausaufgabe: Kritische Überprüfung.

Agentur-Marketing ist Kultur-Ministerium
Marken sind erst richtig erfolgreich, wenn sie gelebt werden. Das beginnt an erster Stelle mit einem Bewusstsein, im Herzen unserer Organisation: Bei unseren Mitarbeitern. Die Implementierung eines „Wir-Gefühls“, einer starken Unternehmenskultur, die Definition uns alle einender Werte, ein Commitment zu gemeinsamen Zielen und unternehmerisch eingesetzter Kreativität, sind die Basis für den Erfolg. Das wusste auch schon Jogi Löw. Übrigens: Wir alle schimpfen nahezu täglich über kräfteraubende Pitches und Agenturauswahlprozesse. Dabei haben – und ich wage es kaum zu schreiben – Pitches auch positive Nebeneffekte. Bei richtiger Organisation entfalten sie transformierende Wirkkräfte auf die involvierten Teams. Selten ist die emotionale Verbindung zur Aufgabe höher und die Intensität einer Agenturmarken-Gemeinschaft größer.

Troubleshooting is part of the game
Agenturmarkenarbeit bedeutet „höchschte“ Disziplin und erfordert Pferdelunge. Das ist nicht immer angenehm. Der Marketeer einer Agentur muss in der Organisation spürbar sein. Er muss team- und unit-übergreifend mit „der Markenprüfschablone bewaffnet“ durch die Organisation ziehen, Optimierungspotentiale freilegen, die täglichen Arbeitsprozesse und Leistungen bewerten und ggf. auf Kundenbedürfnisse anpassen, zusätzliche Potentiale von Kunden und Neukundenüberprüfen und heben. Das stößt nicht immer auf Applaus aus der Kurve. Am Ende des Tages ist es aber ratsam, das sensible Ohr in den Markt zu spitzen, Customer Centricity penetrant zu fordern und hartnäckig und konsequent an der „Marke“ zu arbeiten. Halten wir fest: „Marke“ wird in unserem Agenturverständnis immer wichtiger. Die an uns gestellten Anforderungen werden komplexer. Eine Position im Relevant Set unserer Kunden beginnt mit der Demonstration unserer handwerklichen Fähigkeiten am Case der eigenen Marke. Leistung, Schmerzfreiheit, Disziplin und Konsequenz bleiben die relevanten Größen für den Agentur- Vertrieb. Langfristig wird Ignoranz in diesem Zusammenhang konsequent abgestraft werden. Im Zweifel sogar mit einem 7:1.

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