Absagekulturen der Werbetreibenden. Ein Interview mit der W&V.

by Christoph on 12. August 2013

CPWenn Agenturen nach aufreibenden Pitches von ihrem Misserfolg erfahren müssen, ist das für alle Beteiligten schwere Kost.
Die W&V fragt uns in ihrer aktuellen Ausgabe nach unseren Erfahrungen. Das ganze Interview gibt‘s hier:

 

 

W&V:
Wie sehen ihre jüngsten Erfahrungen mit Absagen von Unternehmen aus?

Christoph Pietsch:
Durchwachsen. Von „brutal-ehrlich“ und damit zielführend offen bis hin zur kurzen Randnotiz, dass man es nicht ins „Finale“ geschafft hat.
Die unterschiedlichen „Absagekulturen“ lassen sich dabei weder einem Unternehmens-Typus, noch Wettbewerbsverfahren zuordnen, auch eine Beteiligung von Pitch-Beratern lässt hierbei keine Regel ableiten. Ich möchte an dieser Stelle übrigens deutlich betonen, dass nicht nur Unternehmen Absagen aussprechen. Auch wir haben aus verschiedenen Gründen Pitch-Teilnahmen ausgeschlossen und dies offen begründet. Zum Beispiel mit Evaluierungsmodellen, die extrem preisgetrieben und wenig qualitätsorientiert aufgesetzt waren, oder durch die schlichte Tatsache, dass Anforderungsprofile nicht zu 100% erfüllt werden konnten. Da müssen wir uns und vor allem dem potentiellen Kunden nichts vormachen.

W&V:
Haben Sie in der Vergangenheit mal besonders positive oder besonders negative Erfahrungen mit dem Thema gemacht?

Christoph Pietsch:
Selbstverständlich. Und zwar sowohl positive als auch negative. Der Ausgang entsprechender Feedbackgespräche zeichnet sich aber schon im Kennenlernprozess, bei Chemistry-Meetings oder Re-Briefingsituationen ab. Generell sind wir Freunde des „offenen Visiers“. Offenheit, Transparenz und Ernsthaftigkeit spielen beim Umgang miteinander eine große Rolle. Und das gilt auch für den Neugeschäftsprozess. Wir freuen uns über jede ehrliche und konstruktive Kritik, auch wenn sie noch so schmerzhaft ist. Ob das Pricing nicht gestimmt hat, es Defizite in puncto Leidenschaft bzw. Team-Spirit gab oder das kreative Produkt eines Wettbewerbers schlichtweg besser war – für uns ist diese Art von Rückmeldung essenziell wichtig, um unsere Performance kontinuierlich zu optimieren.

W&V:
Wie häufig haben Sie aus der Presse erfahren, dass es nicht geklappt hat?

Christoph Pietsch:
Das ist noch nie passiert. Je nach Unternehmung oder deren Organisationsstruktur lässt ein Feedback schon mal einige Wochen auf sich warten. Von Erfolg oder Misserfolg erfahren wir aber in der Regel noch vor Ihnen.

W&V:
Sollten Unternehmen nicht immer den Anstand haben und höflich absagen?

Christoph Pietsch:
Mit Höflichkeiten ist Agenturen in der Regel nicht geholfen. Unternehmen und Markenverantwortliche müssen Agenturleistungen wertschätzen. Auch wenn eine Zusammenarbeit nicht zustande kommt – ein qualitatives und ehrliches Feedback hat jeder Pitchteilnehmer verdient. Nur das hilft uns perspektivisch wirklich weiter.

W&V:
Wie häufig ist es bei Ihnen vorgekommen, dass Unternehmen begründet abgesagt haben?

Christoph Pietsch:
Gott sei Dank ist das in der Tat die Regel. Die Frage ist doch vielmehr: Wie hilfreich ist die Begründung, um bei zukünftigen Wettbewerben besser vorbereitet zu sein? Wie kann ich als Agentur lernen, Bedenken jeglicher Qualität schon im Vorfeld auszuhebeln, zu entkräften oder die Mannschaft auf mögliche Fehlerquellen sensibilisieren?

W&V:
Was war der häufigste Grund?

Christoph Pietsch:
Wenn es einen häufigsten Grund gäbe, hätten wir ihn längst beseitigt. Begründungen zum Nicht-Zustandekommen einer Partnerschaft sind so vielfältig und individuell wie jede Marke oder jede im Pitch zu bewerkstelligende Aufgabe.

W&V:
Werden auch manchmal Gründe vorgeschoben?

Christoph Pietsch:
Selbstverständlich, das ist menschlich, denn ein Absagegespräch ist nie angenehm. Weder für Agenturen noch für Entscheider.
Erwartungshaltung und Neugier sind auf Agenturseite im Anschluss mindestens genau so groß, wie vor den Präsentationen auf Unternehmensseite.
Um vermeintlichen Unannehmlichkeiten und gekränkten Eitelkeiten vorzubeugen, vermeiden einige wenige Entscheider, den Finger in die wirklichen Wunden zu legen. Ich sehe hierfür keine Notwendigkeit, denn sie verlangen von uns Kommunikationsdienstleistern einen ebenso schonungslosen, professionellen Blick auf Marke, Aktivitäten und zukünftige Ausrichtungsoptionen.

W&V:
Fragen Sie auch öfters noch mal höflich nach, wenn Sie lange nichts gehört haben?

Christoph Pietsch:
Ja. Über den Prozess und das Timing eines Pitches sind in der Regel alle Teilnehmer informiert.
Nach den Präsentationsrunden brauchen die Teilnehmer ohnehin erst einmal Luft zum Atmen und Zeit, präsentierte Inhalte wirken zu lassen und zu evaluieren. Sollte es einmal zu dramatischen Verzögerungen ohne Hinweis kommen, fassen wir noch einmal höflich nach. Generell gilt: Man darf den Bogen an dieser Stelle nicht überspannen. Ich denke aber, dass die aufmerksame Rückfrage nach evtl. offenen Punkten oder erklärungsbedürftigen Details erlaubt ist und das Interesse der Agentur noch einmal unterstreicht. Das ist aber bitte nicht zu verwechseln mit unangenehmer Penetranz.

W&V:
Hat man als Agentur auch manchmal die Befürchtung, dem potenziellen Kunden schon vorab auf die Nerven zu gehen?

Christoph Pietsch:
Nein. Sensibilität und Feinfühligkeit gehören in Pitch-Situation zu den notwendigen Soft-Skills. Wenn der Prozess schon im Vorfeld von Partnerschaft geprägt war und man ein gegenseitiges Verständnis entwickelt hat, sehe ich hier keine Probleme.

W&V:
Wären Sie für einen „Pitch-Knigge“, den z.B. ein Verband wie der OWM herausgeben könnte, bei dem auch das Thema „Absagen“ klar geregelt ist?

Christoph Pietsch:
Aus unserer Sicht ist das nicht erforderlich. Ein allgemeiner Pitch-Knigge würde den unterschiedlichsten Parametern und Anforderungen eines Wettbewerbs nicht gerecht werden können. Wir müssen nicht alles aufschreiben, um es dann anschließend als Notwendigkeit zu empfinden. Eine gesunde, transparente und wertschätzende Absagekultur gehört zum Spiel einfach dazu. Genau wie Fairplay zum Fußball.

 

Das Interview wurde geführt von Jan-Philipp Schlecht.

 

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