Mir fehlen die Worte…

by admin on 4. April 2013

Elena SchipferAber erst zu mir:

Ich bin Junior Texterin und liebe Wörter. Manchmal zergeht ihr Klang auf der Zunge (z.B. Markise), ein andermal benutze ich bestimme Worte einfach nur, um ein wenig klüger zu wirken. Sprache ist Kultur und ihre Vielfalt begeistert mich. Ich rede gerne und schreibe viel. Mein Deutschlehrer mochte mich zwar nicht, der hatte jedoch auch noch nie eine meiner Headlines oder Mailings gelesen. Alles in allem finde ich die gesprochene Sprache also ganz cool. Und trotzdem sitze ich jeden Dienstag in einem bedrückend stillen Raum und fuchtle wild gebärdend meinen Namen.

Wieso ich die deutsche Gebärdensprache lernen möchte?

Ich habe das Gefühl, dass man sich erst beim Lernen einer fremden Sprache der eigenen bewusster wird. Man beginnt seine Muttersprache ganz anders wahrzunehmen und mehr auf die Feinheiten zu achten, die einen werblichen Text für einen Verbraucher zu einem Stück Unterhaltung machen. Wenn man eine neue Sprache lernt, so muss man sich zwangsläufig in andere hineinversetzen. Es geht mir darum, den Blickwinkel anderer einzunehmen und damit meine eigenen Kreationen kritischer zu betrachten und Feedback effektiv umzusetzen. Während ich mich also mit der Gebärdensprache befasse, setze ich mich auch mit meinen eigenen Texten auseinander.

Entgegen meiner Vermutung ist die DGS nicht eine visuelle Umsetzung des Deutschen, sondern eine eigenständige Sprache. Um unbekannte Namen darzustellen, benutzen Gehörlose das Fingeralphabet, für alle anderen Wörter existieren über 18 000 verschiedene Gebärden. Darüber hinaus werden, wie im Deutschen auch, unterschiedliche Dialekte gesprochen. Gar nicht so verwunderlich also, dass es zwischen gehörlosen Kölnern und Düsseldorfern zu Missverständnissen kommen kann. Meine Lehrerin an der Volkshochschule ist selbst gehörlos und wenn wir Fragen haben, verständigen wir uns eben mit Händen und Füßen und Bewegungen, die wir für Gebärden halten.

Eine wachsende Gemeinschaft Gehörloser fasst ihr Schicksal nicht mehr als Handicap auf, sondern als kulturelle Identität. Und was Hörenden vorbehalten war, wird adaptiert und dadurch auf eine ganz neue Ebene gehoben. Wie zum Beispiel Deaf Slam, die gebärdete Variante des Poetry Slams:

Auch der gehörlose finnische Rapper Signmark ist der Ansicht, dass Gehörlose nicht als Behinderte sondern als sprachliche Minderheit angesehen werden sollten. Wie „deaf rap“ aussieht, kann man hier sehen:

Für meinen Entschluss war außerdem ausschlaggebend, dass wir uns in unserer globalisierten Welt mittlerweile mit allem (Siri) und jedem (Gorilladame Koko) unterhalten können. Und spricht jemand nicht unsere Sprache, greifen wir auf Englisch zurück. Für mich war schon lange klar, dass ich Gehörlose da nicht außen vor lassen will und ich diese Sprache irgendwann beherrschen möchte.
Die wichtigste Lektion für mich sind aber keine Handformen oder der Grundwortschatz.

Beim Gebärden geht es nämlich darum, den anderen richtig anzusehen. Nur wenn ich meinem Gegenüber meine volle Aufmerksamkeit zukommen lasse, kann ich ihn verstehen. Man kann nicht mal nebenher etwas besprechen und währenddessen mit etwas anderem beschäftigt sein. Ich glaube in Zukunft werde ich während einer Unterhaltung weniger auf mein iPhone und wieder mehr in die Augen meines Gesprächspartners schauen.

Und auch wenn mir beim Gebärden die Worte fehlen, ist mir das immer noch lieber als sprachlos zu sein.

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