Das Jahr hat gefühlt schon vor einer Ewigkeit begonnen. Inzwischen wird es in Düsseldorf nach ein paar strengen Winterwochen wieder wärmer. Zeit, um einmal aus popkultureller Perspektive ein Blick auf das vergangene Jahr sowie das vor uns liegende zu werfen. In der Landeshauptstadt gibt es dafür einen Experten, nämlich den Popkulturjunkie. Im „Real Life“ heißt er Jens Schröder. Er bloggt, twittert usw. über Einschaltquoten, Blogcharts, Google+ Charts, neueste Snacks und vieles mehr. Nachdem wir schon längst mal ein Interview machen wollten, haben wir dies nun neulich bei einem Kaltgetränk besiegelt.
Johannes: Hallo Jens, wie geht es dir? Wie geht’s Popkulturjunkie Junior? Und vor allem wie ist es um die Popkultur bestellt?
Jens: Danke, mir und der Familie geht’s sehr gut. Und wie es um die Popkultur bestellt ist? Aus Konsumentensicht definitiv exzellent. Nie war es dank Diensten wie Spotfiy, Simfy, etc. so einfach, legal an große Teile der Musik aus aller Welt heranzukommen. Wenn nun auch noch die Film- und die TV-Produzenten ähnliche Dienste starten, bzw. sie nach Deutschland bringen, werden auch hier die dunklen Ecken des Netzes allmählich überflüssig.
Johannes: Dem einen oder anderen ist Dein Pseudonym Popkulturjunkie vielleicht nicht so geläufig. Bist Du mal so gut und lüftest das Geheimnis, wie es dazu kam?
Jens: Das Wort stammt ursprünglich aus einem Artikel in der Süddeutschen Zeitung. Damals ging es um Leute, die sich die neuesten Serien aus den USA besorgen, gigabyteweise Musik sammeln und andere Sachen. Genau so einer war ich und daher fand ich das Wort toll, als ich Anfang 2003 mit dem Bloggen begann. Zwar fehlt mir mittlerweile etwas die Zeit für das Blog, der Name popkulturjunkie passt aber trotzdem noch zu mir.
Johannes: Was hat für Dich eigentlich die Popkultur mit dem Social Web zu tun?
Jens: Oh, sehr viel. Wie viel Musik ich schon durch Blogs entdeckt habe, wie viele interessante Meinungen zu Filmen. Und: Was wäre der Sonntagabends-„Tatort“ ohne die Live-Kommentare in meiner Twitter-Timeline? Ich denke, dass das Social Web gerade der Popkultur einen großen Schub gegeben hat.
Johannes: Die vorherige Frage habe ich Dir natürlich nicht ohne Hintergedanken gestellt, denn einige Leser des GREY Blogs werden Dich als denjenigen kennen, der die Deutschen Blogcharts eingeführt hat und der auch bei den Deutschen Google Plus Charts mitmischt…Was hat das alles zu bedeuten?
Jens: Angefangen hat es Ende 2005. Es gab damals in den Anfangszeiten des Bloggens eine deutsche Blogsuchmaschine, die auch Charts veröffentlich hat. Als die Suchmaschine eingestellt wurde, habe ich Lust gehabt, die Lücke für Blogcharts zu füllen – und habe dann im Januar 2006 die erste Ausgabe an den Start gebracht. Anschließend sind die Charts allen Unkenrufen zum Trotz immer beliebter geworden. Allerdings habe ich gerade beschlossen, die Blogcharts zu beenden. Einer der Gründe: Es macht einfach immer weniger Sinn, eine Liste über die populärsten Websites zu erstellen, die eine bestimmte Technik verwenden. Ich werde stattdessen mittelfristig neue Charts starten, die sich nicht mehr nur auf Blogs konzentrieren, sondern auf alle Websites mit publizistischen Inhalten.
Johannes: Jens, sag mal, wozu braucht es eigentlich diese Rankings? Sollen sie Bloggern zur Orientierung dienen oder PR-Verantwortlichen, die auf der Suche nach Multiplikatoren für ihre “Corporate Messages” sind, wie es heutzutage so schön heißt?
Jens: Bei den Blogcharts war das sicher ein Faktor, der die Liste so beliebt gemacht hat. Ich habe anhand der Mails, etc. gesehen, welches Ansehen die Charts insbesondere in den Agenturen hatten. Allerdings: Darum ging es mir nie, mich nervte es eher, Mails von PR-Leuten zu bekommen, denen von vornherein anzusehen war, dass sie mich anschrieben, weil mein Blog in den Blogcharts platziert war. Mir ging es immer darum, den Leuten, die mit dem Angebot an Blogs überfordert waren, einen Anhaltspunkt zu geben, welche Blogs empfehlenswert sein könnten.
Johannes: Vor einigen Wochen hatte ich hier im Blog eine Infografik zur Welt der Blogs veröffentlicht und gestern darüber gebloggt, dass die Zahl der Blogs weltweit steigt. Wie fällt denn Dein Urteil zur aktuellen Bloglandschaft in Deutschland aus?
Jens: Gespalten. Die Euphorie, die das Bloggen in den Anfangsjahren zu so einem tollen Erlebnis gemacht hat, ist sicher verflogen. Leider gibt es im Gegensatz zu anderen Ländern und Sprachen auch nur sehr wenige deutschsprachige Blogs, die es wirklich schaffen, über eine kleine Zielgruppe hinaus Einfluss auszuüben und Themen zu setzen. Dennoch findet man auch 2012 noch sehr viele tolle, lesenswerte und charmante Blogs im Netz.
Johannes: Jens, vielleicht erklärst Du uns nochmal kurz, was Du eigentlich machst, denn die Popkultur ist ja bekanntlich ein weites Feld ?
Jens: Ich bin freier Journalist. Hauptsächlich mache ich seit über zehn Jahren das, was mittlerweile als “data journalism” bezeichnet und gehypet wird. Ich schreibe z.B. für MEEDIA.de über Einschaltquoten, Auflagenzahlen, Trafficdaten, analysiere Zahlen und bereite sie journalistisch auf. Außerdem schreibe ich über Netzthemen, Musik und Fernsehen.
Johannes: Unterscheidung Journalist, Blogger oder gar Twitterer?
Jens: Für mich persönlich sind die Unterschiede da nicht so groß, weil ich sowohl Journalist, als auch Blogger und Twitterer bin und alles drei Arten sind, zu publizieren. Dennoch sehe ich allgemein durchaus Unterschiede. So wollen die meisten Blogger ja überhaupt keine Konkurrenten zum Journalismus sein. Und von denen, die es wollen, sind es auch nur wenige. Auf der anderen Seite gibt es aber auch zahlreiche Blogs in Deutschland, die sehr wohl Journalismus produzieren und den herkömmlichen Medien Konkurrenz machen – vor allem in vielen Nischen. Twitter wiederum sehe ich vor allem als einen schnellen Weg, Inhalte und Nachrichten aus Blogs und Websites zu verbreiten, sowie als grandiose Plattform, um sich zu informieren und inspirieren zu lassen – es ist also eine tolle Ergänzung, die jeder Journalist und Blogger nutzen sollte.
Johannes: Was bedeutet für Dich das Social Web?
Jens: Ich mag das Wort “Social Web” nicht so sehr. Das, was viele unter “Social Web” verstehen ist für mich einfach das Internet. Ich habe auch schon vor Diensten wie Twitter oder Facebook mit Leuten kommuniziert, mich mit ihnen vernetzt oder sie im echten Leben kennengelernt. “Social Web” ist halt so eine Marke, die Medien brauchen, wenn sie über einen Hype berichten – und eine Marke, die Berater brauchen, um potenziellen Kunden gegenüber pseudo-kompetent zu erscheinen. Daher beantworte ich lieber die Frage “Was bedeutet für Dich das Internet?”. Und eine der vielen Antworten, die ich nun geben könnte, um meine Wertschätzung für das Netz zu vermitteln, ist diese: Ohne das Internet gäbe es meinen großartigen Sohn nicht, denn ohne Internet (und unsere beiden Blogs) hätte ich meine Frau wohl nie kennengelernt.
Johannes: Was sagt Dir eigentlich GREY?
Jens: Da ich seit über zehn Jahren für Fachmedien der Kommunikations- und Medienbranche schreibe, sagt mir GREY als eins der größten Werbenetzwerke der Welt natürlich etwas. Näher habe ich mich mit dem Unternehmen aber nie beschäftigt, da mich die Werbebranche nicht so übermäßig interessiert.
Johannes: Abschließend eine letzte Frage. Neulich bei einem der Düsseldorfer Tweetups meintest Du, dass Du ein neues Blog gestartet hast und dass es dabei um Snacks und Knabberkram geht? Raus damit, was treibt Dich um? Und wie kannst Du einen Schokoriegel bewerten?
Jens: Ich wollte ganz einfach mal wieder über etwas ganz anders schreiben, als über die Medienbranche, das Internet, die Popkultur. Daher hab ich im Januar snackjunkie.de gestartet und teste dort u.a. neue Schokoriegel, Chipssorten aus Deutschland und aller Welt. Bisher macht mir das sehr viel Spaß und die Reaktionen und Zugriffszahlen zeigen mir schon jetzt, dass ich da nicht der einzige bin. Und wie man einen Schokoriegel bewerten kann? Ich mache da keinen Hehl draus, dass das natürlich mit objektiven Kriterien nicht geht. Ich bin kein Labor, das Zutaten analysiert oder mit Kalorienzahlen jongliert. Mir geht es bei den Tests letztlich um ein rein subjektives Kriterium: Schmeckt mir das Ding oder nicht?
Johannes: Hab vielen Dank für das anregende und ausführliche Gespräch, Jens! Solltest Du mal den Weg rüber zu uns in die IdeenBotschaft finden, was mich sehr freuen würde, bist Du herzlich auf einen frischen Espresso Macchiato eingeladen.
Jens: Gern geschehen und danke für die Einladung!
[...] wird Pinterest aber seinen Platz im Social Web behalten. Davon bin ich überzeugt, weil es neben seinem “Suchtfaktor” einfach [...]