Agentur-Neugeschäft ist Markenführung par excellence

by Christoph on 6. Dezember 2013

Christoph Pietsch

Gute New Business-Akquise muss im “Best Case” wie echte Markenkommunikation gedacht werden. Um Marketeers zu begeistern, bedarf es unter anderem Kreativität, Mut, Neugier sowie einer differenzierenden und unterhaltsamen Geschichte.

Hier ein spannender Gedanke: In Deutschland dürfte es mittlerweile knapp 9.000 Agenturen und Kommunikationsdienstleister geben. Und alle haben eine Gemeinsamkeit: Fern ab jeglicher Spezialisierung und Positionierung können alle immer alles. Die Marketeers mit Agenturbedarf stehen also vor einem wild sortierten Agenturbauchladen.

Austauschbare Agenturpositionierungen

Ein ähnliches Bild zeigt sich auch bei einem Blick auf die erfolgreichsten und kreativsten Dienstleister unserer Branche. Nehmen wir doch einmal die Top 25: Sie alle haben eine nahezu identische Service- bzw. Portfoliostruktur. Agenturpositionierungen und Philosophien werden zum austauschbaren Gut – ob ‘The Work. The Work. The Work.’, ‘Wir bleiben unzufrieden’ oder ‘Truth well told’. Und auch die Mitarbeiter-Fluktuationsquote lässt laut GWA erst einmal kein gutes Haar an unserer Branche. Denn in der Theorie sind alle Verbandsagenturen nach maximal vier bis fünf Jahren komplett ausgetauscht. Für die kontinuierliche Differenzierbarkeit – nicht nur im Agentur-Neugeschäft – gar nicht unbedeutend.

Grundvoraussetzung für das Erreichen des ersehnten Marketeer-Relevant Sets ist und bleibt die Produktqualität der strategischen und kreativen Arbeit. Wer darüber hinaus aber nicht unter den Top 3 in diversen Ranking-Listen steht, muss sich – gerade im kaltakquisitorischen Bereich – mächtig ins Zeug legen und sich seine Optionen und Sichtbarkeitsfelder erarbeiten. Und nicht nur durch kluge Insights, mehrwertstiftende Gedanken und tragfähige Zukunftsmodelle gelangt man nachhaltig auf die Einkauflisten der Industrie. Aber dazu gleich mehr. Denn: Der altbewährte und persönliche Brief oder der Griff zum Telefonhörer werden in Zukunft ihre Wirkkraft verlieren.

Fünf Neugeschäftsgebote zum Nachmachen

Der schwere Weg vorbei an der Hüterin der Post-Mappe, der Assistentin des Entscheiders, wird steiniger. Zeit, die Dinge grundsätzlich anders anzugehen. “Neugeschäft” neu zu definieren und für ein neues Verständnis innerhalb der eigenen Agenturkultur und im Markt zu sorgen.

1. Als Challenger kannst du keine Fehler machen

Zunächst geht es um die Konzentration auf die Fragen: Wer bin ich? Was kann ich? Wie will ich überraschen? Welchen Mehrwert biete ich? Das Gute im Agentur-Neugeschäft: Wir befinden uns häufig in der Rolle des Herausforderers. Und als echte Challenger-Agenturmarke kann ich keine großen Fehler machen. Innerhalb der Neugeschäftsstrategie darf also auch experimentiert werden. Try again. Fail again. Fail better. Win.

2. Wissen ist Macht

Strategische Analysen gehören zu unserem Tagesgeschäft. Studien und Marktforschung sind dabei ein gelerntes, funktionierendes Hilfsmittel. Wer aber wirklich über eine Marke und das Geschäft einer Unternehmung Bescheid wissen will, muss zusätzlich auch die Reise zum Realitätskern antreten: “Tauche tief in die Welt des Kunden ein.” Wir müssen in den Handel und an den PoS und müssen Mitarbeiter und Kunden im Tagesgeschäft, bei Beratungsgesprächen oder Kaufabwicklungen, beobachten. Wir müssen “Marke” und ihre täglichen Geschichten erleben. Nur so entsteht ein differenzierender, authentischer Bericht von der Markenfront. Und diese interessiert in der Regel auch den Unternehmer oder Marketingverantwortlichen.

3. Kluge Gedanken wollen schön verpackt werden

Detailtiefes Wissen und Gefühl für die Marke haben wir jetzt. Theoretisch sind wir nun in der Lage, Wissen und Insights in echte Ideenkatapulte und Sprungbretter zu verwandeln. Aber wie lasse ich das jetzt den Entscheider

wissen? Eigene Gedanken in entsprechende Darreichungsformate zu übersetzen ist der Schlüssel und gleichzeitig auch unser großes Problem. Dabei sind Agenturen doch hervorragend munitioniert – ob durch Ansprachekanäle, Touchpoints der relevanten Ziel- und Anspruchsgruppen, Vielfalt der eigenen kommunikativen Services und vor allem mit Kreativität. Die kommt nämlich als zentraler Asset unseres Schaffens, zumindest in der Neugeschäftskommunikation, viel zu kurz.

4. Mach Dich bemerkbar

Der Zweck heiligt (fast) alle Mittel. Eigenwerbung und gute PR sind unweigerlich mit erfolgreichem Agentur-Neugeschäft verzahnt. Ein Aufgabenbereich, der in zahlreichen Agenturen noch zu stiefmütterlich behandelt wird. Wer nicht spricht, bleibt ungehört. Durch Vorträge, Lesungen, Veranstaltungsbesuche, den vorgetäuschten Diebstahl der Zugspitze, einen Post in der Facebook-Timeline einer Fastfood-Kette oder Studien und Publikationen gilt es permanent sichtbar zu sein sowie Meinungsführerschaft und inhaltliches Pionierwesen zu demonstrieren. Und aus gegebenem Anlass darf man auch polarisieren, den Lautstärkeregler hochfahren und zu Themen, die die Branche bewegen, Stellung beziehen. Wichtig dabei ist, dass eine Meinung und konsequente Haltung vertreten wird. Amir sei Dank.

5. Sei mutiger als alle anderen

Mut und Leidenschaft stehen im Agenturgeschäft für die Extrameile sowie für das Verlassen der Komfortzone. Speziell im Neugeschäft gilt es, dem Unternehmen zu zeigen: Kunde und Marke mehr zu “wollen” als alle anderen. Der letzte emotionale Trigger, der uns im Wettbewerb bleibt und Markenverantwortliche spüren lässt: Da sind Marke und ich gut aufgehoben. Pure Identifikation. Und was das für die Kaltakquise bedeutet: Bedingungslose Hingabe für eine Marke und deren Demonstration in einer relevanten Geschichte. Und wenn es der Story dienlich ist, darf man für eine Markenchefin sogar aus 4.000 Meter Höhe Richtung Erde springen. Im Ernst. Agentur-Neugeschäft ist Markenführung par excellence.

Eigentlich ganz einfach

Gute Akquise wird im “Best Case” wie echte Markenkommunikation gedacht, entwickelt und kreativ durchgeholt. Letztlich der konsequente Transfer einer Mechanik, die wir alle täglich anwenden: Mit einer spitzen Zielgruppe, den Unternehmern und Marketeers, die es nach allen Regeln der Kunst zu beleuchten gilt. Mit starken strategischen Insights, die an den relevanten Touchpoints zum Leben erweckt werden. Und mit einer, wenn notwendig, kanalübergreifenden Demonstration von Kreativität, Mut, Neugier sowie einer differenzierenden und unterhaltsamen Geschichte. Das begeistert auch unsere zukünftigen Kunden. Eigentlich ganz einfach. Eigentlich. Auf mutige Ideen und fette Beute in 2014.

Dieser Beitrag erschien im New Business Magazin Nr 49.

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